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"Wichtig für die Zusammenarbeit ist, dass sich die Leute kennen"

Dóra Drexler, Direktorin vom ÖMKi in Budapest. (Foto: Gabriel Szabo)

Die FiBL kennenlernen: Von September bis Dezember 2025 stellt das Bioaktuell-Magazin die Forschungsinstitute der FiBL Gruppe in Deutschland, Österreich, Frankreich und in Ungarn in einer Portraitserie vor. Ergänzend dazu spricht Jeremias Lütold auf FiBL.org mit den Geschäftsleitenden über ihre Arbeit, die Ziele und die Zusammenarbeit innerhalb der FiBL Gruppe. Diesmal mit Dóra Drexler, Direktorin vom ÖMKi in Budapest.

Jeremias Lütold: Wo steht der Biolandbau in Ungarn heute?

Dóra Drexler: Unsere eigenen Datenauswertungen zeigen, dass Bewegung in den inländischen Markt kommt. Der Absatz biologischer Produkte steig, aber ein grosser Teil davon wird importiert. Die biologische Landwirtschaft in Ungarn, mit rund sieben Prozent Flächenanteil, ist hingegen stark exportorientiert. Das betrifft vor allem Getreide. Im europäischen Wettbewerb geraten die Biobetriebe damit aber zunehmend unter Druck. Wir sehen auch, dass der Organisationsgrad im ungarischen Biosektor sehr tief ist. Wir beschäftigen uns deshalb mit Fragen, wie wir gemeinsam mit Landwirt*innen und Verarbeiter*innen den Aufbau von Wertschöpfungsketten fördern können. Es ist wichtig, dass die Leute zusammenkommen, sich kennenlernen, neue Ideen bekommen, und sich wirtschaftlich stärker verbinden. Was das Agronomische betrifft, wollen wir mehr über die Nährstoffversorgung und Produktivität reden. In Ungarn gibt es nur wenige Biomilchviehbetriebe bzw. gemischte Betriebe. Deshalb fehlen im Ackerbau die Hofdünger. führt. Wir reagieren darauf mit Fragestellungen, wie organische Dünger in den Boden kommen oder wie wir das Bodenleben gesund und aktiv halten können beispielsweise mit Gründüngungen und Leguminosen.

Das ÖMKi entstand 2011 in enger Kooperation mit dem FiBL in der Schweiz. Wo steht das Forschungsinstitut heute?

Das FiBL in der Schweiz war bis 2021 eng mit dem ÖMKi verbunden. 2021 wurde das ÖMKi in eine ungarische Stiftung überführt und seit 2024 haben wir den Sitz in unserer eigenen Liegenschaft. Wir sind damit sicher unabhängiger geworden. Und nächstes Jahr feiern wir unser 15-jähriges Jubiläum. In Ungarn selber haben wir sehr gutes Standbein in der Praxisforschung mit unserem On-Farm Netzwerk, mit dem wir uns stark an der Herangehensweise des FiBL in der Schweiz orientiert haben. Interessanterweise sind wir in diesem Bereich auch auf europäischer Ebene gerade sehr gefragt. Im Horizon Europe Projekt Agroecology Partnership haben wir eine grössere Rolle eingenommen und koordinieren das europäische Netzwerk der agrarökologischen Living Labs und Forschungsinfrastrukturen. Auch mit der Koordinierung von Projekten wie dem BOOST4BIOEAST (B4B) zur Förderung der Bioökonomie in den mittel- und osteuropäischen Ländern sowie den baltischen Staaten sind wir zu einem gut aufgestellten Institut in Europa geworden. Derzeit arbeiten wir an weiteren EU-Projektanträge auch mit Ländern wie Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien und Kosovo, die ja Teil der geplanten EU - Westbalkanerweiterung sind. Wir haben in der Entwicklung des Biolandbaus in Osteuropa eine Führungsrolle an/eingenommen und wollen weiter Netzwerke stärken.

Bleiben wir bei EU. Wie ist euer Blick auf die Rolle, die das FiBL in der Schweiz in der europäischen Agrarpolitik spielt?

Auf EU-Ebene sehe ich da grosses Potenzial, das FiBL als ganze Gruppe strategisch noch stärker als leitende Stelle in der Fachpolitik zu positionieren. Im Juli 2025 wurde der erste Entwurf der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU veröffentlicht, mit dem geplanten Budget für die nächsten sieben Jahre. Das Budget wurde gekürzt und die GAP soll in den kommenden Jahren stark umstrukturiert werden. An solchen Prozessen aktiv beteiligt zu sein, ist strategisch sehr wichtig. Für das FiBL, auch in der Schweiz, wäre es wünschenswert, sich an solchen Prozessen aktiver zu beteiligen und mehr Möglichkeiten zu suchen, auf EU-Ebene präsent zu sein. Klar gibt es Fachleute wie Monika Messmer, die im Bereich Biozüchtung europäisch federführend sind. Potenzial sehe ich aber auch bei anderen grossen Themen wie zum Beispiel Wettbewerbsfähigkeit oder Digitalisierung, Expertise in der EU-Agrarpolitik stärker einzubringen. Ganz grundsätzlich, wenn wir an der Idee festhalten wollen, das FiBL in der Schweiz soll europaweit führend sein in der Entwicklung des Biolandbaus, muss man aktiv bleiben, Sonst verliert man da irgendwann schnell die leitende/führende Position. Was im Massstab der Schweizer Agrarpolitik gut funktioniert, muss aber unbedingt auch in die Diskussion mit den EU-Ländern eingebracht werden.

Sie haben die Zusammenarbeit zwischen dem ÖMKi und dem FiBL in der Schweiz ausgesprochen. Wie bewerten Sie das?

In der Züchtungsarbeit und im Bereich Saatgut haben wir eine sehr aktive Zusammenarbeit mit dem FiBL in der Schweiz, hauptsächlich wegen dem LIVESEEDING-Projekt. Ausserdem kooperieren wir im EU Projekt OrganicYieldsUp, das vom FiBL Europe koordiniert wird. Wir sind auch im Projekt SCALE-it, dass an das Vorgängerprojekt RELACS anschliesst, wo wir auch schon dabei waren. Es wäre allgemein schön, wenn wir die Arbeit voneinander besser kennen würden und es mehr Austausch auf Ebene der Gruppen gäbe. Ich denke, daraus kommen auch Ideen für gemeinsame Projekte. Wichtig für die Zusammenarbeit ist, dass sich die Leute kennen. Man muss mehr miteinander denken. Aber wie macht man das? Die virtuell stattfindenden Open Days am FiBL sind toll, man kriegt viel mit. Aber es fehlen die informellen Gespräche in den Kaffeepausen. Man könnte versuchen, Gefässe für den Austausch zu fördern und die Möglichkeiten für die Zusammenarbeit aktiv zu schaffen.

Nächstes Jahr feiert das ÖMKi das 15 Jahre Jubiläum. Was kommt danach?

Das ÖMKi hat mit einer organischen Entwicklung ein klares Profil erreicht. Zunehmend öffnen sich neue Türen. Wir kriegen mittlerweile auch Anfragen zu Projekten in Lateinamerika und in afrikanischen Ländern, wo wir als Partner für sogenannte Living-Lab-Ansätze gefragt sind. In der wissenschaftlichen Arbeit haben wir nach wie vor traditionelle Ambitionen und wollen mit unseren eigenen Daten in wichtigen Publikationen erscheinen. Daran arbeiten wir unter anderem im digitalen Bereich mit Sensoren für die Weidehaltung, um die positiven Auswirkungen der Weidehaltung auf die Biodiversität zu optimieren und aufzeigen zu können. Grosse Diskussionen sehe ich auch in Bezug auf die regenerative Landwirtschaft auf uns zukommen. Es ist ein Vorteil, dass wir Bio Regeln und Zertifizierungen haben und somit als nachhaltiges System auch klar definiert sind. Wenn man aber grundsätzlich weniger Bodenbearbeitung will, muss man auch aufzeigen können, wie man das ohne Herbizide und nachhaltig tut. Wir hatten schon Anfragen grosser Nahrungsmittelkonzerne, für einen Betrieb ein minimal regeneratives Bewirtschaftungsmodell zu erstellen. Auf dem Produkt heisst es dann "aus regenerativer Landwirtschaft" und am Schluss macht der Bauer eine Plastik-Folie zur Unkrautkontrolle aufs Feld. Da gibt es sicher die Gefahr von "Greenwashing". Mit den Ansätzen der regenerativen Landwirtschaft tut sich aber etwas, auch viel Positives. Aber ich denke, als Expert*innen müssen wir präsent sein und einordnen, damit es nicht in eine falsche Richtung geht. 

Interview: Jeremias Lütold, FiBL

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