Die regionale Versorgung mit Lebensmitteln gewinnt in Österreich und Europa angesichts aktueller Krisen zunehmend an Bedeutung. Regionale Produkte werden häufig mit fairen, sicheren und nachhaltigen Produktionsbedingungen assoziiert – für Mensch, Tier und Umwelt. Diese positive Wahrnehmung spiegelt sich in zahlreichen Gütesiegeln und Vermarktungsstrategien wider.
Doch: Was bedeutet regional eigentlich konkret? In Österreich fehlen bislang einheitliche gesetzliche Standards zur Definition regionaler Lebensmittel. Dadurch bleibt häufig unklar, wie nachhaltig oder resilient diese tatsächlich sind. Es besteht das Risiko, dass soziale, ökologische oder ökonomische Schwachstellen unter dem Deckmantel der Regionalität verborgen bleiben.
Das FiBL Österreich hat mit SuRe:food (SUstainability assessment of REgional effects of food value chains) ein innovatives Bewertungstool entwickelt, das Nachhaltigkeit und Regionalität systematisch miteinander verknüpft. Das Tool ermöglicht eine transparente, fundierte und vergleichbare Bewertung der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeitseffekte entlang kompletter Lebensmittel-Wertschöpfungsketten – von der Urproduktion bis zum Verkauf.
SuRe:food basiert auf 41 Hauptindikatoren, die sich aus 108 Sub-Indikatoren zusammensetzen. Diese decken drei zentrale Themenbereiche ab:
Die Indikatoren sind auf österreichische Verhältnisse abgestimmt. Für die Anwendung in anderen Ländern ist eine entsprechende Anpassung erforderlich.
SuRe:food hat den Anspruch regionale Nachhaltigkeitseffekte entlang ganzer Wertschöpfungsketten abzubilden. Damit soll verhindert werden, dass gewisse Teilbereiche der Produktion, Verarbeitung und Verteilung von Lebensmitteln isoliert betrachtet werden, wodurch ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Nachhaltigkeitseffekte eines Lebensmittels wiedergegeben werden könnte. Für die Bewertung werden daher alle relevanten Betriebe einer Lebensmittel-Wertschöpfungskette (landwirtschaftliche Urproduktion, Verarbeitung, Verkauf) in ihrer Gesamtheit berücksichtigt.
Berücksichtigte Bereiche:
Die Analyse endet am Point of Sale – Konsum, Entsorgung oder Wiederverwendung sind nicht Teil der Bewertung.
Das Indikatoren-Set von SuRe:food ermöglicht eine umfassende und vergleichbare Bewertung unterschiedlichster Lebensmittel-Wertschöpfungsketten in Österreich. Vor jeder Bewertung wird in einer Relevanzanalyse geprüft, welche Indikatoren für die beteiligten Betriebe relevant sind – abhängig von Faktoren wie Produktionsform (z. B. Ackerbau, Grünland, geschützter Anbau) oder Betriebsgröße.
Anschließend erfolgt die Datenerhebung mittels standardisierter Fragebögen. Die so gewonnenen Informationen werden für jeden Betrieb in eine Bewertung überführt. Jeder Indikator wird auf einer Skala von 0 % (geringe Zielerreichung) bis 100 % (vorbildliche Umsetzung) eingeordnet. Die Bewertungsmaßstäbe wurden gemeinsam mit Expert*innen aus Praxis und Forschung entwickelt. Während 0 % z. B. Betriebe mit rein gesetzlichen Mindeststandards abbildet, steht 100 % für solche, die weitreichende und innovative Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Regionalität umsetzen.
Die Bewertung wird in 5 Stufen unterteilt, die wie folgt definiert sind:
(0) Passiv: Es werden keine / kaum Maßnahmen umgesetzt, die Regionalität und Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette fördern.
(1) Interessiert: Es werden naheliegende und einfache Maßnahmen in Teilbereichen umgesetzt, die Regionalität und Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette fördern.
(2) Motiviert: Es werden engagierte Maßnahmen in Teilbereichen umgesetzt, die Regionalität und Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette fördern.
(3) Innovativ: Es werden weitreichende und systemische Maßnahmen umgesetzt, die Regionalität und Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette fördern.
(4) Herausragend: Es werden außergewöhnlich weitreichende und systemische Maßnahmen umgesetzt, die Regionalität und Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette fördern.
Die Ergebnisse werden sowohl auf Indikator- als auch auf Themenbereichsebene dargestellt und ermöglichen eine gezielte Analyse einzelner Betriebe oder ganzer Wertschöpfungsketten.
Nicht alle Ziele lassen sich gleichzeitig auf hohem Niveau erreichen – Zielkonflikte sind daher Teil jeder realen Bewertung. Beispielsweise kann eine ökologische Bewirtschaftung die Ressourcenschonung verbessern, aber gleichzeitig die regionale Wertschöpfung (z. B. durch höhere Kosten) beeinträchtigen. Solche Zusammenhänge werden in der Interpretation der Ergebnisse entsprechend berücksichtigt.
Anders als bei klassischen Ökobilanzen wird das Ergebnis nicht pro Produkt, sondern auf Basis der beteiligten Betriebe einer Wertschöpfungskette ausgewiesen.
Beispiel: Die Bewertung der Milch-Wertschöpfungskette bezieht sich auf Milchviehbetriebe, Molkereien und Verkaufsstellen. Alle daraus resultierenden Produkte (z. B. Milch, Joghurt, Käse) erhalten die gleiche Bewertung – da sie denselben betrieblichen Ursprung haben.