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"Die Bauern entwarfen Szenarien, wie die Gemeinschaft auf Wasserknappheit reagieren würde"

Ein alter Brunnen in einer grünen Landschaft.

Mit Wasserknappheit haben nicht alle gleich zu kämpfen. Ärmere, meist indigene Bauernfamilien haben oft schlechteren Zugang und weniger Möglichkeiten. (Foto: Julia Hauri)

Vier Personen sitzen vor einem Haus und diskutieren.

Der Bauer Mukesh Oshari (hinten links) erzählt, welche Ressourcen er zur Bewässerung nutzt und welche sozialen Faktoren ihn beim Thema Wassermanagement unterstützen. (Foto: Julia Hauri)

Ausgebreitete Mindmap mit Post-its.

Fokusgruppendiskussion: In einem Akteurs-Mapping reflektieren Bauern gemeinsam, wer die wichtigsten Akteure für die Wassernutzung sind – das konnten Personen, Organisationen, aber auch Dinge wie "Wald" oder "Kanäle" sein. (Foto: Julia Hauri)

Wasserfläche mit Damm am Horizont.

Grosse Infrastrukturprojekte wecken grosse Hoffnungen – dabei geraten die Massnahmen oft in den Hintergrund, zu denen jeder Einzelne beitragen kann. (Foto: Julia Hauri)

Tröpfchenbewässerungssystem auf Feldern.

Mit der Nutzung von wassersparenden Technologien kommt es oft zum Rebound-Effekt: weil effizienter bewässert wird, werden grössere Flächen bepflanzt – insgesamt wird also nicht weniger Wasser verbraucht. (Foto: Julia Hauri)

Ausgetrockneter Wasserkanal in grüner Landschaft.

Die gemeinschaftliche Koordination der Nutzung von Wasserkanälen funktioniert in einigen Regionen Indiens bereits gut. (Foto: Julia Hauri)

Schwarzer Waran auf dem Büroboden.

Ungewöhnlicher Bürobewohner. (Foto: Julia Hauri)

Mehrere parkierte Motorräder.

Motorrad... (Foto: Julia Hauri)

Ein beladenes Kamel.

... oder doch lieber Kamel? (Foto: Julia Hauri)

Wie stark soziale Ungleichheiten in Indien den Zugang zu Wasser prägen – und warum gemeinschaftlich getragene Lösungen entscheidend sein könnten, um die Zukunft der Landwirtschaft in Regionen wie dem Nimar Valley zu sichern, darüber berichtet Julia Hauri im Interview. Sie hat Agrarwissenschaften an der ETH Zürich studiert und ihre Masterarbeit zum Thema Anpassungen an sinkende Grundwasserspiegel im Rahmen des FiBL Langzeitforschungsprojektes SysCom (Farming Systems Comparison in the Tropics) umgesetzt. Dafür verbrachte sie drei Monate im indischen Nimar Valley.

Ein Brunnen – ein Symbol für die Nutzung von Wasser. Was sind die grossen Herausforderungen im Nimar Valley in Indien, wenn es um Wassermanagement in der Landwirtschaft geht?

In der Region ist die Grundwasserproblematik im Vergleich zu anderen Teilen Indiens noch nicht so stark ausgeprägt, der Wasserspiegel ist vielerorts noch auf einem sicheren Niveau. Dennoch spielt Bewässerung eine zentrale Rolle. Viele Landwirte (es wurden ausschliesslich Männer interviewt, da diese in der Regel die Betriebe verwalten, Anm. d. Red.) berichteten, dass sich der Zugang zu Wasser in den letzten Jahrzehnten verbessert hat – durch neue Kanäle, kleine Dämme und private Brunnen. Gleichzeitig zeigen sich starke soziale Unterschiede: Wohlhabendere Betriebe verfügen oft über mehrere Wasserquellen, während ärmere, meist indigene Bauernfamilien in abgelegenen Gebieten häufig mit ausgetrockneten Quellen oder Kanälen kämpfen oder fast ganz auf Regenwasser angewiesen sind. Sie verfügen ausserdem nur sehr beschränkt über Zugang zu institutioneller Unterstützung und Mitbestimmung bei Entscheidungen über die lokale Wassernutzung. Das Thema Wasser ist zudem eng mit dem Klima verknüpft – während der Monsunmonate fällt viel Regen, doch den Rest des Jahres bleibt es extrem trocken.

Eines der Fotos zeigt dich mit einem Landwirt und zwei Kollegen aus dem Projektteam in Indien. Wie habt ihr zusammengearbeitet?

Das war während meiner Feldforschung. Sawan Kushwah (rechts hinten) führte die Interviews und übersetzte für mich, während Ishwar Patidar (links vorne) die Koordination übernahm und die Kontakte zu den Landwirten herstellte. Insgesamt führten wir zwölf solche Interviews durch. Wir fragten nach materiellen Ressourcen – etwa Wasserquellen oder Bewässerungssystemen – sowie nach sozialen Faktoren wie Austausch in der Gemeinschaft oder der Mitgliedschaft in Wassernutzungsorganisationen. So konnten wir die Möglichkeiten, aber auch die Schwachstellen unterschiedlicher sozio-ökonomischer Gruppen besser verstehen. Die Interviews zeigten, wie gross die Unterschiede zwischen den Gruppen sind und dass Bewässerung in der Region vor allem durch den Zugang bestimmt wird und weniger durch die Verfügbarkeit von Ressourcen.

Ihr habt mit sogenannter Fokusgruppendiskussion gearbeitet. Wie lief eine solche Diskussion ab?

Diese Gruppenübungen waren sehr interaktiv. Eine der Methoden war das sogenannte Akteurs-Mapping: Die Teilnehmenden überlegten gemeinsam, wer die wichtigsten Akteure für die Wassernutzung sind – das konnten Personen, Organisationen, aber auch Dinge wie "Wald" oder "Kanäle" sein. Dann wurden diese Akteure auf einem Plakat verbunden und mit unterschiedlich grossen Steinen nach Einfluss gewichtet. Bäume wurden zum Beispiel häufig als zentrale Akteure genannt, weil sie für den Wasserkreislauf entscheidend sind. In einer zweiten Übung entwarfen wir Szenarien, wie die Gemeinschaft auf Wasserknappheit reagieren würde – auf individueller, gemeinschaftlicher und politischer Ebene.

Der Maheswar Damm am Fluss Narmada ist ein grosses Infrastrukturprojekt. Welche Rolle spielen solch gross angelegte Projekte und welche Bedeutung hat dieser Fluss im Spezifischen? 

Der Fluss Narmada hat eine sehr grosse Bedeutung für die Identität und das Leben der Region. Das Gerüst des Staudamms für die Energieproduktion wurde gebaut, aber aufgrund finanzieller Komplikationen nie fertiggestellt – es ist bis heute nicht funktionsfähig. Viele der Landwirte setzen auch bei der Bewässerung ihre Hoffnung auf solche Infrastrukturprojekte, etwa den Bau neuer Dämme oder Kanäle, und haben weniger Fokus darauf, wie das bereits vorhandene Wasser effizienter genutzt oder gemeinschaftlich organisiert werden kann.

Wie verbreitet sind denn Techniken zur effizienten Wassernutzung wie die Tröpfchenbewässerung und welche Herausforderungen gibt es?

Einige wohlhabendere Betriebe nutzen Tröpfchenbewässerung bereits. Es erfordert Kapital für die Anschaffung und technisches Know-how. Es gibt Subventionen, die aber nach einem Lotteriesystem vergeben werden, so dass nur wenige profitieren. Manche haben die Technik auch wieder aufgegeben – etwa wegen Mäusen oder Verstopfungen durch mineralhaltiges Wasser. Solche Technologien allein lösen das Wasserproblem nicht. Oft entsteht ein Rebound-Effekt: weil effizienter bewässert wird, werden grössere Flächen bepflanzt – insgesamt wird also kein Wasser eingespart, was notwendig wäre, um dieses für mehr Bauernfamilien verfügbar zu machen.

Alternativ gibt es auch andere agrarökologische Ansätze, zum Beispiel der Anbau von Pflanzen mit wenig Wasserbedarf oder Mulchen. Bauernfamilien werden im Projekt dabei unterstützt, solche Methoden anzuwenden.

Zur gemeinschaftlichen Wassernutzung gibt es alternative Ansätze, zum Beispiel "Community-led groundwater management". Was bedeutet das?

Dabei geht es darum, dass Dorfgemeinschaften selbst Verantwortung für die Wassernutzung übernehmen – also ein dezentralisierter Ansatz, im Gegensatz zu den früher üblichen Top-down-Regulierungen. In der Region steckt das noch in den Anfängen, aber in anderen Teilen Indiens hat es sich etabliert.

Bei der Nutzung von Oberflächenwasser funktioniert die gemeinschaftliche Koordination bereits besser. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Kanal-Organisationen: Alle Mitglieder zahlen einen Beitrag, wählen Vertreterinnen und Vertreter und entscheiden gemeinsam über die Nutzung. So kann Wasser gerechter verteilt werden – auch wenn soziale Ungleichheiten und Korruption Herausforderungen bleiben.

In Indien hattest du unter anderem auch ungewöhnliche Bürobewohner wie den Bengalwaran auf dem Foto. Wie hast du die Zeit dort erlebt?

Es war für mich eine sehr prägende Erfahrung, weil ich noch nie zuvor so lange in einem anderen kulturellen Kontext unterwegs war. Anfangs war vieles überwältigend, aber das Team vor Ort hat mich grossartig unterstützt. Ich erinnere mich, wie ich am ersten Tag todmüde vom Flug ankam – und sofort wieder hellwach war, als wir auf der Strasse durch die Stadt Indore fuhren, weil so viel gleichzeitig passierte. Ich musste oft lachen, einfach aus Überraschung und Freude über die vielen neuen Eindrücke. Der Waran im Büro war nur eines dieser Abenteuer.

In Indien gibt es viele Transportmittel – vom Motorrad bis zum Kamel. Welches würdest du wählen und was ist dein nächstes Ziel?

Ich bin noch nie auf einem Kamel geritten – sie werden meist für den Materialtransport genutzt. Mit dem Motorrad dagegen bin ich oft gefahren, das hat richtig Spass gemacht. Was mein persönliches Ziel betrifft: Ich bin noch am Entdecken, freue mich, auf dem Weg zu sein und möchte etwas Sinnvolles tun – etwas, das Menschen hilft und einen positiven Impact hat. Das Thema Wasser und internationale Zusammenarbeit möchte ich auf jeden Fall weiterverfolgen.

Interview: Selina Ulmann, FiBL

Weitere Informationen

Das Programm "Landwirtschaftlicher Langzeit-Systemvergleich in den Tropen (SysCom)" untersucht seit 2007 den Vergleich von biologischen und konventionellen Landwirtschaftssystemen in Kenia, Indien und Bolivien. Ziel ist es, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zur nachhaltigen Landwirtschaft zu gewinnen. Die Langzeitversuche analysieren agronomische, ökologische und wirtschaftliche Aspekte, ergänzt durch partizipative On-Farm-Forschung, um praxisnahe Lösungen für lokale Landwirt*innen zu entwickeln. Neben der Forschung stärkt das Programm gezielt lokale Kompetenzen und fördert den internationalen Dialog zu Ernährungssicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit.

Das Projekt wird seit Beginn finanziert durch Biovision, den Coop Fonds für Nachhaltigkeit, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und den Liechtensteinischen Entwicklungsdienst (LED).

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Selina Ulmann

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