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"Wir sind klimapolitisch im Schwebezustand des tatenlosen Zuwartens"

Stimmen zum Klima

Sabine Reinecke arbeitet seit 2023 als Politikanalystin am FiBL Schweiz im Departement für Agrar- und Ernährungssysteme. Zudem baut sie in Baden-Württemberg mit ihrem Partner gerade einen kleinen Agroforstbetrieb auf. In ihrer akademischen Laufbahn hat sie sich intensiv mit dem Thema Landnutzung im Kontext der internationalen Klima- und Biodiversitätspolitik beschäftigt.

Ende Juni ist ein wichtiges Treffen der Klimarahmenkonvention fast unbemerkt zu Ende gegangen. Die jährlichen "Climate Talks" in Bonn stellen traditionell die Weichen für die grosse Vertragsstaaten­konferenz am Ende des Jahres. Dieses Jahr findet sie im brasilianischen Belém statt, im Herzen des Amazonas, 30 Jahre nach der ersten grossen Klimakonferenz in Berlin.

Die Schweiz ist mit 2,8 Grad schon weit über 1,5 Grad

Bis September 2025 sollen die Vertragsstaaten zum zweiten Mal ihre nationalen Klimaschutzbeiträge einreichen und aufzeigen, dass sie auf dem Weg zum Ziel sind, die globale Erderwärmung unter 1,5 Grad zu halten, worauf man sich 2023 geeinigt hatte. Die Schweiz hat den Bericht schon Anfang 2025 fertiggestellt. Während die Welt noch versucht, 1,5 Grad zu halten, rangieren die Durchschnitts­temperaturen des Alpenlands schon längst um 2,8 Grad über präindustriellem Niveau. Im Jahr 2024 lag der Durchschnitt sogar um 3,3 Grad höher. 

Gleichzeitig wirkt der Beitrag der Schweiz von 0,1 Prozent zum globalen Klimabudget und durchschnittlich gut 4,8 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Kopf geradezu vorbildlich. Aber reicht das? Darf sich eine leistungsstarke Nation wie die Schweiz auf solchen Durchschnittswerten ausruhen? Zu dringend scheint der Handlungsbedarf – gerade in der Landwirtschaft –, um abzuwarten. 

Mildere Winter stören die natürlichen Zyklen

In der Schweiz wird Landwirtschaft schon unter erschwerten Bedingungen betrieben, um einen hohen Selbstversorgungsgrad zu erhalten. Drohende Ernteausfälle stellen ein enormes Risiko dar und für die notwendigen Anpassungsinvestitionen haben die Landwirt*innen finanziell kaum Spielräume. 

Gemäss Klimastrategie sollen jährlich 100 Millionen Franken mehr für nachhaltige Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen im Sektor ausgegeben werden, einschliesslich Beratung und Weiterbildung. Das aktuelle Bundesbudget setzt in der Landwirtschaft aber in befremdlicher Weise auf wenig transformationsförderliche Instrumente der Absatz- oder Anbauförderung, etwa bei Zuckerrüben, und kürzt gleichzeitig im Bereich Forschung und Bildung.

Es braucht entschiedeneres Handeln

Dabei gilt es gerade im Landwirtschaftsbereich die Krisenfestigkeit zu erhöhen und sich von den Weltmärkten unabhängiger zu machen. Es braucht eine an den Klimawandel angepasste lokale Produktion, die als Sicherheitsnetz für die Ernährung der Bevölkerung dient und sichere Einkommen für Landwirt*innen generiert. Hier ist die Schweiz noch weit entfernt von einem Ernährungssystem in Balance. Ein System, das in Produktion und Konsum standortangepassten, ressourceneffizienten und klima-smarten Prinzipien folgt, um die Selbstversorgung mit gesunden Nahrungsmitteln nachhaltig zu sichern. 

Wie in der "Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050" gefordert, braucht es entschiedeneres Handeln aller Akteur*innen entlang der Wertschöpfungskette: von Konsummustern, über Food Waste und Absenkpfade bis hin zu neuen Produktionsansätzen in Tierhaltung und Pflanzenbau. Sei das durch massiven Ausbau von Agroforst oder durch Tierhaltung, die ohne Kraftfutter auskommt und Stoffkreisläufe schliesst. 

Architekt*innen der AP30+ sollten sich an Klimastrategie erinnern

Während die Politik noch über geeignete Instrumente der zukünftigen Agrarpolitik (AP30+) feilscht, befindet sich die Schweiz klimapolitisch in einem unheilvollen Schwebezustand des tatenlosen Zuwartens. Ein solches Hinhalten ist nur in der Hoffnung zu ertragen, dass sich die Architekt*innen der AP30+ auf der Suche nach zukunftsfähigen agrarpolitischen Instrumenten an die "Klimastrategie" erinnern. 42 Massnahmen haben die Bundesämter gemeinsam erarbeitet, ziemlich zielorientiert, systemisch gedacht und teilweise schon auf den Weg gebracht.

Sabine Reinecke, FiBL

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Sabine Reinecke

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blw.admin.ch: Klimastrategie des Bundes