In zweiter Generation führt Helmy Abouleish das erfolgreiche land- und ernährungswirtschaftliche Zentrum Sekem unweit von Kairo. Hier in der Wüste betreibt er biodynamische Landwirtschaft, die seit Jahrzehnten einen fortschrittlichen Umgang mit dem Klimawandel sucht. (Foto: zvg)
Helmy Abouleish ist Geschäftsführer der ägyptischen Sekem-Holding, die unweit von Kairo erfolgreich biodynamischen Landbau betreibt, Produkte verarbeitet und vermarktet, sowie Landwirt*innen zur Umstellung motiviert. Zu den Zielen von Sekem gehören soziales Unternehmertum und das Engagement gegen Klimawandel und für Ernährungssicherheit. Unter Abouleishs Führung wurde Sekem unter anderem mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Abouleish ist seit 2018 Präsident von Demeter International.
Sekem ist eine Biopionierin in Ägypten. Das Unternehmen fördert seit 1977 nachhaltige Entwicklung in den Bereichen Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Die Sekem-Holding produziert verarbeitet und vermarktet biologisch-dynamische Lebensmittel, Textilien und Arzneimittel in Ägypten und auch international.
Helmy Abouleish ist der Sohn des Sekem-Gründers Ibrahim Abouleish. Dieser war 1977 aus einer sicheren Mittelstandsexistenz aus Österreich in seine frühere Heimat Ägypten zurückgekehrt, um dort den biodynamischen Landbau zu verankern. Viele hielten ihn für verrückt. Das Resultat straft die Zweifler*innen aber Lügen. Gewichtigen Anteil daran hat auch die zweite Generation auf Sekem. Helmy Abouleish hat das Werk des Vaters mit Erfolg weiterentwickelt und ausgebaut.
Kürzlich war Helmy Abouleish als prominenter Gast in der 100. Folge des Podcasts FiBL Focus. Wir haben Auszüge aus dem Gespräch mit Augenmerk auf den Umgang mit dem Klimawandel zusammengefasst.
Dein Vater hat 1977 begonnen, biodynamischen Landbau zu betreiben, wie kam er auf diese Idee?
Mein Vater, gebürtiger Ägypter, ist in den 50er-Jahren von Ägypten nach Österreich gereist ist, um dort zu studieren. Nach dem Studium hat er dort gearbeitet und meine Mutter geheiratet. Ich und meine Schwester sind dann hintereinander geboren worden. Wir waren sehr gut eingerichtet im grünen Herz Europas, aber so um 1974/75 herum hat mein Vater immer mehr wieder auf seine Heimat geguckt und sich gefragt, wie er dort einen Beitrag liefern könnte an die nachhaltige Entwicklung. Es entstand der Traum der biodynamischen Landwirtschaft in der Wüste, wobei sich das ganze Umfeld einig war, dass dies unmöglich war. Zum Glück liess er sich davon nicht abhalten von seiner Idee und 1977 zogen wir mit der ganzen Familie nach Ägypten und bauten auf 70 Hektaren 60 Kilometer nordöstlich von Kairo einen Biobetrieb auf.
Welche Erfahrungen habt ihr bei Sekem mit Klima-resilienter Landwirtschaft gemacht, gerade ja in einer Region, die stark von der Klimakrise troffen ist?
Wir erleben hier vielseitige Einflüsse des Klimawandels auf die Landwirtschaft. Das eine sind die Veränderungen des Wetters, mit Veränderungen von Luftfeuchtigkeit und Temperaturen und so weiter. Das verändert natürlich, was und wann ich anbauen kann. Und da sehen wir ganz deutlich, dass wir mit unseren biodynamischen Oliven, Mango und anderen Kulturen resilienter dastehen als viele kommerzielle Kolleg*innen, die mehr leiden unter all diesen Umwelt-Einflüssen.
Dann gibt es natürlich noch die Frage, was passiert mit dem steigenden, Meeresspiegel? Im riesigen Nil-Delta lebt und arbeitet über die Hälfte der ägyptischen Bevölkerung und die ganze landwirtschaftliche Fläche ist hier konzentriert ist und diese wird gerade unterspült vom Meer. Das führt zu Versalzung und weiteren Konsequenzen. Und auch da können wir sehen, dass wir mit wir mit biologisch-dynamischen Bauern im Nordteil Ägyptens besser mit diesen Umweltbedingungen umgehen können.
Und das dritte ist der Wasserverbrauch, der durch das Klima in Ägypten zum grössten akuten Problem überhaupt wird. Mit biologischer Landwirtschaft haben wir dank lebendiger Böden erwiesenermassen geringere Verluste und damit weniger Wasserverbrauch, was uns natürlich deutlich resilienter macht als die Leute um uns herum, die viel mehr Wasser brauchen und viel mehr unter Wasserarmut leiden als wir.
Im Bezug auf Wasserspeicherkapazität und CO2-Speicherkapazität ist ja auch der Humusaufbau sehr wichtig. Welche Rolle spielt diese Frage bei euch?
Der Aufbau eines lebendigen Bodens ist natürlich zentral in der biologischen und biodynamischen Landwirtschaft überall auf der Welt und hier in Ägypten genauso. Wenn man das im Rahmen von Agroforst dann noch kombiniert mit mehr Bäumen und guter Kompostierung und Umstieg auf erneuerbare Energien, dann kann man einen entscheidenden Unterschied machen, was die Emissionen angeht. Die Emissionen der Welt stammen ja zu einem guten Teil aus der Landwirtschaft. Wenn man jetzt zeigen kann, dass wir als biodynamische Bauern in Ägypten statt Emissionen zu verursachen CO2 binden oder den Ausstoss verhindern, dann kann man daraus zusätzliche Ökosystemdienstleistungen ableiten, so etwa Kohlenstoffzertifikate, und so dem Landwirtschaftsbetrieb ein Einkommen ermöglichen, mit dem er die ganze Umstellung finanziert. So stellen wir im Moment rund 40'000 Betriebe um. Für die Zertifikate gibt es eine Börse, wo ägyptische Unternehmen mit deren Kauf den CO2-Fussabdruck reduzieren können.
Interview: Vanessa Gabel, Redaktion: Adrian Krebs