Im Rahmen der deutschen Bodenzustandserhebung (BZE) ist von Don et. al. eine Studie des Thünen-Instituts publiziert worden, die Bodenproben von über 2000 konventionellen und 100 biologisch bewirtschafteten Betrieben untersucht hat. Dabei zeigte sich, dass es auf Ackerflächen von deutschen Biobetrieben keinen nachweisbar erhöhten Kohlenstoffgehalt im Boden gibt.
Am FiBL ist die Studie auf reges Interesse gestossen. Im Gespräch mit Else Bünemann, der Leiterin des Departements für Bodenwissenschaften am FiBL in der Schweiz, versuchen wir, die Resultate einzuordnen. Sie äussert sich unter anderem zum hohen Anteil der Betriebe ohne Tierhaltung in der Studie und vergleicht mit den Resultaten aus dem DOK-Versuch des FiBL.
Haben dich die Ergebnisse überrascht?
Else Bünemann: Erstmal ist es natürlich ein grossartiger Datensatz. Es hat mich überrascht, wie viele Begleitdaten vorliegen, dass sie also nicht nur Böden beproben, sondern auch das Management zehn Jahre zurück aufzeichnen. Am meisten überrascht hat mich, wie viele Betriebe – bio und konventionell – ohne Tierhaltung abgebildet werden. Etwa 30 Prozent der Betriebe haben gar keine organische Düngung, also auch keinen Kompost. Da frage ich mich, was dahintersteckt.
Deutet das auf Mangelwirtschaft hin?
Die Einträge von organischen Düngern sind entscheidend für den Humusaufbau. Dazu kommen ja auch noch weitere 30 Prozent der Betriebe, die sehr geringe Mengen an organischen Düngern einsetzen. Ich weiss aber nicht, ob das repräsentativ ist für den deutschen Biolandbau. Wir wissen aus früheren Studien etwa im Rahmen des EU-Projekts RELACS, dass in manchen Regionen Europas die organischen Inputs schlicht fehlen, insbesondere von stickstoffhaltigen Düngern, wobei die Situation in Deutschland nicht so kritisch war wie in anderen Regionen Europas.
Andererseits ist es auch nicht überraschend, weil wir im DOK-Versuch ebenfalls keine Unterschiede im Humusgehalt sehen zwischen biologischem und konventionellem System, nur das biodynamische System hebt sich ab.
Was macht denn im DOK-Versuch den Unterschied?
Das ist wirklich der Einsatz von Mistkompost im biodynamischen Verfahren. Beim Mistkompost ist durch die lange Kompostierungsphase der Kohlenstoff, der dann im Feld ausgebracht wird, schon stärker stabilisiert. Dieser wird dann im Boden nicht so schnell abgebaut. Dies mit dem gewissen Nachteil, dass man während der Kompostierungsphase Verluste an Kohlenstoff und Stickstoff in die Luft hat.
Mistkompost kannst du ja nur mit Tieren produzieren?
Genau, die Alternative wäre ein reifer Grüngutkompost, wir sehen in unseren Recyclingdünger-Versuchen, dass festes Gärgut, das ein weites C-N-Verhältnis hat, auch zu einem Humusaufbau führt. Es ist beim Kohlenstoffeintrag immer eine Frage der Menge und der Qualität.
Gibt es nicht ein gewisses Interesse an tieferem Input bei Bio?
Es kann sinnvoll sein, die ersten zehn bis zwanzig Jahre nach der Umstellung zurückhaltend zu düngen und die Böden so nach langen Jahren intensiver Nährstoffversorgung – grosse Viehbestände, viel Klärschlamm und Kunstdünger – etwas abzureichern. Aber langfristig darf man nicht mit Mangelwirtschaft arbeiten, sonst wird die Bodenfruchtbarkeit zwangsläufig vermindert.
Gibt es tendenziell ein Manko an Nährstoffen im Biolandbau?
Wir müssen unterscheiden zwischen den Nährstoffen. In Mitteleuropa ist der Stickstoff in der Regel der ertragslimitierende Faktor. Im Biolandbau wird damit, mangels Mineraldünger, eher sparsam umgegangen. Man versucht, diesen Stickstoff vor allem aus der biologischen Fixierung zu gewinnen, also durch den Anbau von Leguminosen. Verglichen mit dem konventionellen Anbau, wird selbstverständlich weniger Stickstoff eingesetzt im Biolandbau. Dadurch erklärt sich auch die geringere Umweltwirkung, das ist eben auch wichtig.
Beim Phosphor spielen Einträge über Kraftfutter eine grosse Rolle. Global gesehen gibt es da durch Futtermittelimporte immer noch eine grosse Verschiebung von Nährstoffen zwischen den Kontinenten. Ich finde es sehr wichtig, dass sich der Biolandbau da bewusst abgrenzt und den Einsatz von Kraftfutter stark begrenzt. Längerfristig muss es aber gelingen, Phosphor aus menschlichem Kot und Urin rückzugewinnen und den Kreislauf wirklich zu schliessen.
Es ist für alle Systeme, ob konventionell oder Bio absolut entscheidend, alles Mögliche zu tun, um die Kohlenstoffvorräte im Boden zu erhalten. Zum einen, weil der Humus eine derart vielfältige Wirkung hat für die Stabilität und Struktur des Bodens, für die Stickstoffspeicherung und für die ganze Bodenbiologie. Andererseits weil wir im Zuge der Klimaerwärmung immer höhere Abbauraten sehen. Die grosse Herausforderung ist es, die Vorräte im Boden überhaupt zu erhalten. Für mich ist eine wichtige Schlussfolgerung, dass wir die Bodenqualität in verschiedenen Anbausystemen auch in der Schweiz nochmal prüfen müssen. Es wäre wichtig, dafür ein entsprechendes Betriebsnetz aufzubauen.
Welche Rolle spielt denn die Bodenbearbeitung?
Die reduzierte Bodenbearbeitung kann die Kohlenstoffvorräte erhöhen, das ist bekannt aus Metaanalysen. Es ist schon so, dass es im Biolandbau deutlich anspruchsvoller ist, ganz konsequent mit reduzierter Bodenbearbeitung zu arbeiten. Im konventionellen Landbau ist es leichter möglich, wird dann aber erkauft mit Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat und möglichen negativen Auswirkungen. Sinnvoll wäre eine Art strategisches Pflügen. Das heisst, dass man nicht einfach standardmässig pflügt, sondern nur dann, wenn es wirklich wichtig ist, zum Beispiel wenn man Pflanzenrückstände aus sanitären Gründen dringend einarbeiten muss oder hartnäckige Unkräuter auf der Fläche hat.
Bringt die Studie Auftrieb für die regenerative Landwirtschaft?
Vieles, was in der regenerativen Landwirtschaft praktiziert wird, ist nicht einzigartig für regenerative Landwirtschaft, sondern ist konsequent umgesetzte gute fachliche Praxis, zum Beispiel ist das Ziel der ständigen Bodenbedeckung eine hervorragende Massnahme, um über die Pflanzen Kohlenstoff in den Boden zu bekommen und die Bodenlebewesen ständig zu füttern. Das wird auch von guten Biobetrieben längst praktiziert.
Kommt die viehlose Landwirtschaft durch die Ergebnisse stärker unter Druck?
Ja, für die vieharme und viehlose Landwirtschaft müssen wir unbedingt weitere Lösungen finden und wir arbeiten ja auch dazu. Die Lösungen werden immer in einer Kombination von vielfältigen Fruchtfolgen mit möglichst vollständiger Bodenbedeckung sowie organischer Düngung liegen, das müssen nicht unbedingt Hofdünger sein. Jede Rückführung von organischem Material ist wichtig, da können auch die Biogasanlagen einen gewissen Beitrag leisten, zumBeispiel Abfälle aus der Lebensmittelverarbeitung zurückzuführen. Und wir müssen natürlich auch die Frage der Abwasserbehandlung angehen, also der menschlichen Ausscheidungen. Wenn wir den Klärschlamm verbrennen, verlieren wir auch Nährstoffe. Wollen wir diese nutzen, müssen wir aber den Eintrag von Schadstoffen verhindern.
Sind eigentlich die Erkenntnisse auch auf die Schweiz übertragbar? Bei uns ist ja die Zahl der viehlosen Betriebe tendenziell geringer als in Deutschland.
Wir haben vor einigen Jahren Nährstoffbilanzen von 1000 Schweizer Biobetrieben ausgewertet. Von diesen waren nur sieben reine Ackerbaubetriebe, die keinerlei Viehhaltung hatten. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Anteil viehloser Betriebe in der Schweiz kleiner ist, wobei viehlose Betriebe in Deutschland häufig auch in Futter-Mist-Kooperationen engagiert sind. Das sind eigentliche Betriebsgemeinschaften, wo der eine Betrieb das Vieh hält und der andere Ackerbau betreibt.
Wir sehen auch in der Romandie das Phänomen relativ geringer Tierbestände. Wenn sehr viel Kompost eingesetzt wird, kommt es zu einem Phosphorüberschuss gegenüber dem Stickstoff. Die grosse Herausforderung im Biolandbau ist es, die Nährstoffe im richtigen Verhältnis zueinander zu düngen.
Ist die Best Practice auf vielen Biobetrieben noch nicht erreicht?
Das ist sicherlich so, natürlich auch, weil es in der Praxis immer viele Faktoren gibt, warum nicht alle Arbeiten zum optimalen Zeitpunkt erfolgen können. Seien es die Witterungsbedingungen, Arbeitskräftemangel, Arbeitsspitzen... Und je nach Boden braucht es sehr viel Erfahrung, um zu erkennen, wann der Boden wirklich befahrbar ist, ohne Schaden zu nehmen. Wir sehen zudem die Tendenz zu grösseren Maschinen, die eher mehr Schäden verursachen.
Was sind die Konsequenzen der Studienergebnisse für die Forschung des FiBL?
Wir müssen uns zwei grossen Herausforderungen stellen. Einerseits der erhöhten Mineralisierung durch den Klimawandel und die dadurch notwendig werdenden Mehrinvestitionen in die Humuskonservierung. Andererseits die Landwirtschaft der Zukunft, die weniger Tiere halten wird, um insgesamt ein nachhaltigeres Ernährungssystem zu erreichen. Diese Landwirtschaft der Zukunft muss sich noch viel intensiver damit auseinandersetzen, wie wir alle Stoffkreisläufe schliessen können, um möglichst wenig externe Inputs und endliche Ressourcen einsetzen zu müssen.
Interview: Adrian Krebs, FiBL
Weitere Informationen
Kontakt
Links
- sciencedirect.com: Studie "No detectable elevated soil carbon under organic farming in German croplands − results from two soil surveys"
- thuenen.de: Methodik der Bodenzustandserhebung

