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"Man sähe das Bio von Weitem"

Stimmen zum 50-Jahr-Jubiläum

Interview mit Knut Schmidtke

Knut Schmidtke ist seit April 2020 als Direktor für Forschung, Extension & Innovation Teil der dreiköpfigen Direktion und Vorsitzender der Geschäftsleitung des FiBL Schweiz. Zuvor war er an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden Professor für Ökologischen Landbau, von 2015 bis 2020 zusätzlich Prorektor für Forschung und Entwicklung.

Vor Ihrer Zeit am FiBL – wie haben Sie das Institut wahrgenommen?

Das FiBL war für mich schon immer die grösste und kompetenteste Forschungs- und Beratungseinrichtung des biologischen Landbaus mit weltweiter Ausstrahlung. Als junger Student war ich Mitte der 1980er-Jahre zu Besuch am FiBL. Damals hat mich sehr beeindruckt, wie hier in der Schweiz zum und mit dem Biolandbau geforscht wurde und Forschung und Beratung Hand in Hand gearbeitet haben.  

50 Jahre FiBL. Fast 300 Mitarbeitende. Neuer Campus. Grosser Leistungsauftrag vom Bund. Was passiert gerade am FiBL Schweiz?

Wir sind nicht nur räumlich in ein neues Zeitalter getreten. Auf Basis der vierjährigen Leistungsvereinbarung mit dem BLW (Schweizer Bundesamt für Landwirtschaft, Anm. der Redaktion) können wir uns auch den neuen Heuausforderungen in der Landwirtschaft widmen. Wir haben den Forschungsbereich ausgebaut und konnten insbesondere auch die Beratung ausweiten.

Welche neuen Herausforderungen meinen Sie?

Pflanzen und Tiere leiden unter der Klimaerwärmung. Wir müssen einerseits angepasste Produktionssysteme entwickeln. Andererseits wollen wir alles tun, um die Landwirtschaft in Richtung Klimaneutralität voranzubringen. Nun kann das FiBL sich auch erstmals umfassender der Grünlandbewirtschaftung widmen. Immerhin sind in der Schweiz zwei Drittel und global 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Grünland. Die Pflanzenbestände müssen ebenfalls gegenüber Trockenheit und Hitze toleranter werden. Und wir müssen aus Grünland auch mehr Futter für Huhn und Schwein erzeugen. So können wir die Konkurrenz zwischen Futter- und Lebensmittelproduktion mildern.

Betreffend die Klimathematik, wo steht das FiBL in der Forschungslandschaft Schweiz und international?

Das FiBL beschäftigt sich seit bald zwölf Jahren mit dem Klima, wir können auf einige Ergebnisse verweisen. Bisher ging es um klimaschonendes, jetzt um klimaneutrales Wirtschaften. Unsere Forschungskompetenz im Biolandbau geniesst aber allgemein national und international hohe Anerkennung. Unsere Mitarbeit in Forschungsverbünden ist entsprechend oft gefragt.

Worauf fokussiert die FiBL Forschung ausserdem?

Die Transformation der Ernährungssysteme ist ein drittes, wesentliches Zukunftsfeld. Was ist in der Schweizer Landwirtschaft und in der gesamten Lebensmittelkette zu tun, um dem Trend hin zu mehr pflanzlichen Nahrungsmitteln zu entsprechen? Und mehr als bisher müssen wir die Ernährung der Weltbevölkerung absichern und zugleich die planetaren Grenzen einhalten. Durch biologischen Landbau und das weltweit.

Also Biointensivierung?

Sicher muss der Biolandbau nicht die konventionellen Maximalerträge erreichen. Diese sind nicht ohne Umweltschäden zu haben. Sie sind nur nötig, weil auf dem Weg zum Lebensmittel hohe Verluste anfallen, ein Fünftel der weltweiten pflanzlichen Produktion in die Energieerzeugung geht und 50 bis 70 Prozent in den Futtertrog. Zudem haben wir die Möglichkeiten, mittels Biodiversität auch höhere Erträge zu erzielen, noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Auch in Bio bauen wir derzeit noch vorwiegend Reinsaaten an.

Der Inbegriff eines sauberen Bestandes. Nicht gut?

Die Zukunft gehört der Biodiversität in der Ackerfläche. Das ist ein weiterer FiBL Schwerpunkt. Neben der Nutzpflanze sollen auch andere Arten wachsen und blühen. Der Verzicht auf die Reinsaat würde die Situation für bestimmte Insekten drastisch verbessern.

Was hindert die Biobetriebe daran?

Wir kommen aus der klassischen Produktion, wo ein Zuckerrübenfeld ein Zuckerrübenfeld ist und ein Kartoffelfeld ein Kartoffelfeld. Bio sollte künftig heissen, immer mehrere Pflanzen kombiniert anzubauen. Am FiBL müssen wir erforschen, wie und mit welchen Arten man das am besten macht. Es würde das Aussehen des Biofeldes stark verändern. Man sähe ihm das Bio von Weitem an.

Stellt das FiBL auch Themen zurück?

Beispielsweise die Basisberatung zur Bioumstellung. Das decken die kantonalen Beratungen sehr gut ab. Innovationsberatung, also neue Forschungserkenntnisse klug in die Praxis zu bringen, das sehen wir als unsere Aufgabe. Und die Forschung aus der Praxis heraus zu entwickeln, das ist genauso wichtig. Es gibt einen weiteren FiBL Schwerpunkt, die Freiheitsgrade.

Freiheitsgrade?

In der Tierhaltung verfolgen wir diese neue Strategie. Welche Freiheiten können wir den Tieren zugestehen, um der artgerechten Haltung näher zu kommen? Die Kuh soll beispielsweise wo möglich selbst wählen können, was sie zu welcher Tageszeit von welchem Futter frisst. Nicht alles ist betriebswirtschaftlich möglich. Aber wo wir die Grenzen für mehr Freiheitsgrade für die Tiere erweitern können, wollen wir sie erweitern.

Die Forschung gibt auch der Politik Wissen in die Hand. Was, wenn sie wider besseres Wissen entscheidet? Darf Wissenschaft dann politisch werden?

Die einzelnen Forschenden können als Privatperson jederzeit politisch aktiv werden. Als Institution sollten wir da zurückhaltend sein. Nehmen wir das Beispiel der neuen Gentechnikmethoden. Das FiBL kann klassisch die Argumente dafür und dagegen zusammentragen.

Man kennt das Risiko weder für Mensch noch Umwelt. Es gilt also das Vorsorgeprinzip. Es müsste mindestens vorläufig ein Nein zu den neuen Gentechnologien sein?

Die offenen Fragen lassen sich sicher nicht alle in den nächsten zehn Jahren beantworten. Ich kenne natürlich das Anliegen, das FiBL möge sich in dieser Frage auch politisch klarer positionieren. Wir überlassen es eher den Interessenverbänden wie Bio Suisse oder international der IFOAM, eine klare Position zu fassen. Vom FiBL wird es eher eine Stellungnahme geben. Im Sinne von: Wenn man im Biolandbau keine neuen Gentechniken will, sprechen diese und jene wissenschaftsbasierten Argumente dafür.

Was muss unbedingt noch gesagt sein?

Dass das FiBL während 50 Jahren so erfolgreich war und es in Zukunft sein wird, liegt vor allem an den Menschen, die hier arbeiten wollen und sich bisher eingebracht haben. Das ist die Stärke des FiBL und war es von Anfang an. Ihnen allen bin ich dankbar. Ich danke auch für die 50-jährige Arbeit im FiBL Stiftungsrat, für die Partnerschaft mit den mehreren hundert Praxisbetrieben und vielen Forschungseinrichtungen, für das Vertrauen der Politik, den vielen Geldgebern und allen Menschen, die sich alltäglich in der Landwirtschaft, in Verarbeitung und Handel und im Laden für Bio entscheiden.

Interview: Stephanie Fuchs

Dies ist eine gekürzte und leicht angepasste Version eines Interviews, das in der Ausgabe 1/23 des Magazins Bioaktuell erschienen ist. Dieses und eine Langversion des Interviews sind als pdf verfügbar (siehe unten).

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