Diese Website unterstützt Internet Explorer 11 nicht mehr. Bitte nutzen Sie zur besseren Ansicht und Bedienbarkeit einen aktuelleren Browser wie z.B. Firefox, Chrome

"Die Gretchenfrage wird zu wenig offen angegangen"

Stimmen zum Jubiläum

Eva Reinhard ist seit 2018 Leiterin von Agroscope, der staatlichen Anstalt für landwirtschaftliche Forschung in der Schweiz. Die promovierte Biologin verfügt über breite Forschungserfahrung an diversen Universitäten und wechselte später in die Verwaltung. Vor der Amtsübernahme bei Agroscope war sie stellvertretende Direktorin des Schweizer Bundesamts für Landwirtschaft.

Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zum Biolandbau umschreiben?

Ich habe kein persönliches Verhältnis zum Biolandbau im engeren Sinn. Ich finde die Entwicklung spannend, die der Biolandbau hinter sich hat und kaufe selber auch bewusst Bioprodukte ein. Nicht immer, aber immer wieder. Als Leiterin von Agroscope interessieren mich vor allem die Forschung und der Wissenstransfer des FiBL auf verschiedenen Ebenen – agronomisch, ökonomisch und soziologisch; aber auch die starke Regulierung dieser Label-Produktion und deren Konsequenzen auf die Produktion und den Markt.

Was verbindet Sie mit dem FiBL?

Wir haben tolle gemeinsame Forschungsprojekte mit beidseitig sehr kompetenten Forscherinnen und Forschern. Mein persönlich engster Berührungspunkt mit dem FiBL ist das Nationale Bioforschungsforum NBFF, wo ich im Steuerungsgremium Agroscope vertreten darf. Diese Plattform nimmt die Bedürfnisse der Biopraxis auf und ist ein wichtiges Steuerelement für die Forschung, insbesondere für deren Praxisnähe. Gleichzeitig ist das NBFF auch ein Ort, wo man sich kennenlernt, austauscht und neue Ideen kreiert.

Betrachten Sie das FiBL als Konkurrent um Forschungsgelder oder eher als Mitstreiter auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung des Agrar- und Ernährungssektors?

Ganz klar als Mitstreiter. Die Herausforderungen der Land- und Ernährungswirtschaft sind so bedeutend, dass Alleingänge national und international keinen Sinn machen. Forschende müssen sich vernetzen um im Gesamtsystem funktionierende Lösungen anbieten zu können, weshalb ja generell Konsortien auch vermehrt gefördert werden. Logisch sind wir auch mal Konkurrenten, aber das ist in der Forschung normal, belebt und spornt an.

Es gibt ja bereits diverse Projekte bei denen FiBL und Agroscope zusammenarbeiten. Sollte diese Zusammenarbeit aus Ihrer Sicht noch verstärkt werden?

Davon bin ich überzeugt. Konventionelle und Label-Anbausysteme, also zum Beispiel Bio oder IP (Integrierte Produktion, Anm. d. Red.), rücken mit den generell höher werdenden Anforderungen an die Lebensmittelproduktion näher zusammen. Entsprechend hat auch die Forschung im konventionellen und biologischen Landbau immer wie mehr gemeinsame Visionen, Ziele und Probleme zu lösen. Wie oben bereits erwähnt: Alleingänge machen kaum Sinn. Zusammenarbeit schafft Mehrwert. FiBL und Agroscope können viel voneinander profitieren und damit auch die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft.

Wo sehen Sie die grössten Stärken des FiBL?

Das FiBL hat vor 50 Jahren eine Pionierrolle eingenommen und sich dadurch eine starke Position erarbeitet. Man hat keine Angst neben dem Mainstream zu forschen, ist unternehmensfreudig, innovativ, denkt und forscht im Gesamtsystem. Da die Biobewegung allgemein nicht so stark in der Kritik steht wie die konventionelle Landwirtschaft ist auch das Ansehen in der Bevölkerung sehr gut. Das FiBL ist eng mit den Produzentinnen und Produzenten verbunden und hat einen guten Draht zu den Partnern in der Wertschöpfungskette.

In welchen Bereichen sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?

Eine starke Position, wie oben beschrieben, kann gefährlich sein. Man darf sich nicht ausruhen, muss sich stetig weiterentwickeln, am Ball und offen bleiben für neue Technologien. Die Gretchenfrage, wie der Ertrag im Biolandbau erhöht werden kann, wird meines Erachtens zu wenig offen angegangen. Ideologien dürfen die Forschung nicht ausbremsen. Zudem sehe ich durchaus das Risiko, dass die starke Regulierung der Biolabels die Weiterentwicklung des FiBL und der ganzen Bewegung behindern könnte.  

Was wünschen Sie dem FiBL für die nächsten 50 Jahre?

Ich wünsche dem FiBL weitere 50 erfolgreiche Jahre: Motivation und Ideen für Verbesserungen, Engagement, Mut für Neues und auch die Offenheit, Bestehendes zu hinterfragen. Und ich wünsche natürlich viele tolle Forschungserfolge, auch zusammen mit Agroscope, die unsere Land- und Ernährungswirtschaft zukunftsfähiger machen – egal ob bio oder konventionell. Ich bin sicher, das FiBL wird seinen wichtigen Platz mit vielen Erfolgen verteidigen können.