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Ukraine: Potenzial, das genutzt werden sollte

Mann auf dem Podium

Rolf Mäder, Geschäftsführer von BioC, erklärt wie die Datenbank funktioniert.

Die Ukraine ist ein wichtiges Ursprungsland für Biorohstoffe. Auch nach einigen, zum Teil schwerwiegenden Unregelmässigkeiten in den vergangenen Jahren hat sich daran nichts geändert. Das Potenzial ist vorhanden und das neu aufgestellte Landwirtschaftsministerium arbeitet daran, Lücken in der Biogesetzgebung zu schliessen, Biobetriebe zu unterstützen und eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Als Handelshemmnis wird von vielen jedoch die Guideline der EU-Kommission empfunden, die als Reaktion auf die Skandale erlassen wurde und mindestens noch bis Ende dieses Jahres gilt. Die vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und Partnern organisierte zweitägige Konferenz "Sourcing Organic from Ukraine" diente dem konstruktiven Dialog zwischen Vertretern aus der Ukraine und jenen aus der Politik, von Kontrollstellen, Importeuren und Verarbeitern.

Es war unstrittig, dass die Ukraine kaum entbehrlich ist, um den grossen Bedarf an Biorohstoffen (v.a. Getreide und Soja) im Westen zu decken. Die vom Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützte Veranstaltung Ende Oktober in Frankfurt wurde federführend von Toralf Richter vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Zusammenarbeit mit der FiBL Projekte GmbH, der AFC Consultants International, der IAK sowie der ukrainischen Bioberatungsagentur QueS organisiert. Das Schweizer FiBL engagiert sich schon seit fast einem Jahrzehnt in einem Schweiz-Ukraine-Projekt für die Entwicklung des Biomarktes in dem osteuropäischen Land.

Die Tatsache, dass sich Olga Trofimtseva, Vize-Ministerin im Kiewer Landwirtschaftsministerium, zwei Tage Zeit nahm, um in Frankfurt dabei zu sein sowie das grosse Aufgebot von über 20 Teilnehmern aus der Ukraine, zeigt das grosse Interesse vonseiten der Ukraine am Thema Bio. Das betonte die Vize-Ministerin auch mehrmals: In der strategischen Ausrichtung der Agrarpolitik stehe die Entwicklung des Öko-Landbaus und des gesamten Biosektors ganz weit oben.

Bremsklotz EU-Guideline

Herausforderungen gibt es jedoch auf beiden Seiten: Nicht nur die ukrainischen Biomarktakteure kämpfen mit Verzögerungen, hohem Aufwand und zusätzlichen Kosten, die durch die Ende 2015 von der EU verhängten Richtlinien entstehen, sondern auch Importeure. Die von der EU-Kommission auferlegten strikteren Kontrollmassnahmen gelten für Exporte aus neun osteuropäischen Staaten. Sie sind die Folge des Exports von Weizen und Sonnenblumenkuchen, die nicht den EU-Bio-Richtlinien entsprachen, aber auch grundlegende Probleme in der Struktur der Bioerzeugung in der Ukraine aufdeckten. Ausserdem wurde im Zuge dessen der türkischen Kontrollstelle ETKO, die viele Exporteure kontrollierte, die Lizenz entzogen.

Die Tagungsteilnehmer diskutierten sehr ausführlich und offen über die teils immer noch fehlende Transparenz bei Bio-Exporten aus der Ukraine. Deutlich wurde, dass die Probleme häufig in mangelndem Wissen bei den Mitarbeitern und im Management der riesigen Betriebe begründet sind. Die Betriebsgrösse liegt meist bei über 500 Hektar, doch es ist auch keine Seltenheit, dass Betriebe zu einer Gruppe zusammengefasst sind und dann 5'000 bis über 10'000 Hektar zu einem Unternehmen gehören.

Software und GPS-Tracking

Doch um dabei den Überblick zu behalten, gibt es smarte Lösungen. Zum einen stützen sich bereits grosse Betriebe auf moderne Software, sie arbeiten beispielsweise mit GPS-Tracking der Maschinen und der Transportfahrzeuge. Zudem wird in moderne Reinigungs- und Lagerlogistik (versiegelte Big-Packs) investiert, um Verunreinigungen und Belastung mit Pestizidrückständen zu vermeiden.
Drei Exporteure stellten ihre Betriebe vor, die aktuell zusammen über eine Fläche von fast 10.000 Hektar verfügen. Sie gehören zu den Vorzeige-Biobetrieben und exportieren in verschiedene EU-Länder:

  • Ievgen Mysnyk von Golden Parmen (Getreide, Obst): Ein 100 Prozent Biobetrieb, der beispielsweise mit Bioland Markt zusammenarbeitet.
  • Oleg Maksak von Granit Agro (Weizen, Soja, Mais, Hanf). Ein teilumgestellter Mischbetrieb, der mit modernsten Mittel (GPS-Tracking) eine saubere Trennung von Bio und konventionell gewährleisten kann.
  • Andriy Nikolayuk von Ethnoproduct (Getreide, Milch, Fleisch): Reiner Biobetrieb und ukrainischer Biopionier, der sowohl exportiert als auch auf dem Binnenmarkt mit verarbeiteten Produkten sehr aktiv ist. 

Transparente Wertschöpfungsketten

Für mehr Transparenz und die Vermeidung von Betrug stehen auch Datenbanken und Software-Lösungen zur Verfügung. Geschäftsführer der BioC GmbH, Rolf Mäder, stellte die Internet-basierte Datenbank BioC vor, wo aktuelle Zertifizierungsunterlagen von rund 70'000 Betrieben hinterlegt sind. Die 2010 entstandene Initiative von Öko-Zertifizierungsstellen, der seit 2014 auch der Weltdachverband IFOAM – Organics International angehört, macht es Händlern und Verarbeitern einfach, die Zertifikate von Lieferanten zu kontrollieren und Sicherheit vor dem Kauf zu schaffen.

Check Organic (eCert) sorgt für ein System lückenloser Rückverfolgbarkeit vom Acker bis auf den Teller. Die Software wird vom Münchner Unternehmen Organic Services in Kooperation mit der österreichischen Firma Intact angeboten. Das dynamische Echtzeit-System gewährt durch eine ausgeklügelte Kombination von offiziellen und Firmendaten die Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Vorzeigebeispiel: In Italien lasse sich durch das System, an dem über 15'000 Verarbeiter und fast 58'000 Bauern teilnehmen, die Sicherheit des gesamten Biogetreidemarktes gewährleisten, so Geschäftsführer Gerald Herrmann. Die ukrainische Kontrollstelle Organic Standard arbeitet ebenfalls mit der Software.

Händler, die schon lange im Biogeschäft sind, haben bereits vor den zusätzlichen EU-Auflagen grossen Aufwand zur Qualitätssicherung betrieben. So berichtete Karst Kooistra von Tradin Organics (Holland), dass man bei Rohstoffen zum einen auf eigene Projekte setze, 30 Prozent des Umsatzes würden daraus generiert. Zum anderen würden für jeden Erzeuger interne Checks durchgeführt und auf ca. 25 Seiten Einzelheiten zum Betrieb dokumentiert. Die Firma Tradin Organics, die zur kanadischen Sunopta-Gruppe gehört, bietet eine breite Range von 250 Biorohstoffen für die Lebensmittel und Futtermittel.

Kontrollstellen müssen gut gerüstet sein

Die hohe Qualität der Biokontrolle auch bei manchmal "unübersichtlichen Verhältnissen" im Erzeugungsland zu gewährleisten und Betrug zu verhindern, das ist der Anspruch des Zertifizierers Organic Standard. Über ein Viertel der ukrainischen Bio-Fläche – 137'000 von insgesamt 400'000 ha – werden von der 2007 gegründeten Kontrollstelle zertifiziert, die auch noch in angrenzenden Ländern tätig ist.

Geschäftsführer Sergiy Galashevsky gehört zu der Generation junger, dynamischer Akteure in der Biobranche, die auf Vernetzung und langfristige, ehrliche Zusammenarbeit setzen. "Wir schätzen den Dialog mit unseren Kunden und freuen uns auch über Tipps von Importeure", betonte er. Ksenia Gladschenko von der ukrainischen Beratungsfirma QueS hilft vor allem exportwilligen Unternehmen. Sie schilderte, wie schwierig es ist, den guten Ruf der Ukraine als Bioexportland nach den Problemen in der Vergangenheit wiederherzustellen. Man habe von verschiedenen Seiten schon viel dafür getan, das System zu verbessern. Doch werde das noch wenig honoriert.

Ein grosser Diskussionspunkt auf der Tagung war die uneinheitliche Interpretation der EU-Guideline: Sowohl verschiedene EU-Staaten als auch jedes Bundesland in Deutschland legten die Vorschriften anders aus. Das koste Zeit, Geld und Nerven, äusserten verschiedene Händler und Verarbeiter. Da gebe es noch Nachbesserungsbedarf. Seit Inkrafttreten der Richtlinien seien nur noch sehr geringe Unregelmässigkeiten aufgetreten, der Aufwand sei jedoch riesengross. Behördenvertreter rechtfertigten die Entscheidung mit der Notwendigkeit zur Integrität und Transparenz der Bioware.

Im Dialog bleiben und den Blick nach vorne richten

Ksenia Gladschenko (QueS) wie auch etliche andere Teilnehmer aus der Ukraine wünschten sich, den Blick nach vorne zu richten. So formulierte auch die Vize-Landwirtschaftsministerin Olga Trofimtseva: "Wir haben sehr komplexe Hausaufgaben. Dabei müssen wir selbstkritisch und ehrlich sein. Aber wir brauchen auch das Vertrauen vonseiten der EU." Sie erwarte, dass der intensive Dialog fortgesetzt wird.

Die Vertreter der EU hingegen forderten die genaue Einhaltung der zusätzlichen Richtlinien, und dass man sich mit Massnahmen auf die Probleme fokussieren müsse. Das sei eine Grundvoraussetzung, und das müssten alle Akteure anerkennen. Der holländische Berater und Mitglied der Anti-Fraud-Initiative (AFI) Bo van Elzakker, mahnte die gegenseitige Verantwortung der Export-Import-Partner an und wünschte sich einen verantwortungsvollen Austausch zwischen den Handelspartnern. Er schreibt der Ukraine ein grosses Potenzial im Biobereich zu und hält es für möglich, dass der Staat bis 2015 rund zehn Prozent Biofläche erreicht.

Quelle: bio-markt.info, 2.11.2016, Autorin: Karin Heinze

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