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Interview: Urs Niggli zu FiBL Europe

FiBL-Direktor Urs Niggli mit einer Bio-Baumwollpflanze. (Foto: Alex Spichale)

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) will in Frick über 20 Millionen investieren und den Standort als Zentrum weiter ausbauen. Weiter soll ein Team mit fünf Mitarbeitern in einem Büro in Brüssel technische und wissenschaftliche Fragen zu den Bio-Richtlinien regeln. Im Interview mit der Aargauer Zeitung spricht der FiBL-Direktor Urs Niggli über die Zukunft des FiBL.

Das folgende Interview von Mario Fuchs erschien am 6.10.2016 in der Aargauer Zeitung.

Urs Niggli ist nicht gut zu Fuss: Während einer Studienreise rutschte er aus, brach sich Schien- und Wadenbein. Der Direktor empfängt, an Krücken, im Büro oberhalb Frick. Zwischen PC und sortierten Akten zeigt Albert Einstein von einem Foto seine Zunge: "Die Probleme, die es in der Welt gibt, können nicht mit der gleichen Denkweise gelöst werden, die sie erzeugt haben."

Herr Niggli, Sie wollen ein "FiBL Europe" gründen. Was ist geplant?

Urs Niggli: Wir bauen in den nächsten drei Jahren ein Büro in Brüssel mit vorerst fünf Mitarbeitenden auf. Die EU vergibt uns Aufträge von 1 bis 1,5 Millionen Franken pro Jahr.

Sie eröffnen ein Verkaufsbüro?

Es geht um viel mehr. Das starke Wachstum des Biolandbaus in Europa führt dazu, dass viele technische und wissenschaftliche Fragen zu den Bio-Richtlinien geregelt werden müssen. Wir sind als Experten schon heute in Brüssel gefragt und möchten künftig mit einem Team präsent sein.

Was schwebt Ihnen vor?

Die EU wollte eine Bio-Agentur gründen, die das regelt. Das EU-Parlament lehnte dies aber ab, der Aufbau einer neuen Behörde wäre viel zu teuer. Wir wollen in die Bresche springen. Wir sind privat, effizient organisiert und kämen an grosse Aufträge.

Können Sie ein Beispiel geben?

Wir führen eine Online-Datenbank darüber, welches biologische Saatgut in der Schweiz, in Deutschland, England, Belgien, Luxemburg und bald auch in Schweden auf dem Markt ist. Dies ist für die Biobauern, die Behörden und die Zertifizierungsstellen wichtig, damit nicht gebeiztes oder konventionell vermehrtes Saatgut verwendet wird. Diese Datenbank wollen wir für alle europäischen Länder unter dem Namen FiBL Europe von Brüssel aus anbieten.

Ein anderes Problem gibt es offenbar bei Pflanzenpflege- und Düngemitteln?

Genau. Wer biologisch produziert, darf nur wenige Mittel einsetzen. Wir führen eine Liste mit über 1000 kommerziellen Produkten, die natürlich und somit erlaubt sind. Die Firmen liefern uns ihre Rezepturen, wir prüfen diese. Unsere Liste gibt es für die Schweiz, Deutschland und die Niederlande. Ziel ist eine europäische Liste.

Die Schweiz und die EU stecken in diffizilen Verhandlungen. Ist da eine solche EU-Expansion nicht sehr risikoreich?

Ja, aber es gibt nur ein Institut in Europa, das die Kapazitäten hat, so etwas zu machen: das FiBL. Wir wissen, dass das negative Reaktionen auslösen kann. Aber wir sind erfahren und wollen unser Know-how zur Verfügung stellen. Aber klar: Es ist ein Versuch, und in fünf Jahren werden wir wissen, ob er erfolgreich war.

Wann erfolgt der Start in Brüssel?

Der Verein wird in den nächsten Wochen gegründet. Das Büro nimmt seine Arbeit anfangs 2017 auf. Ich werde im ersten Jahr ein bis zwei Tage die Woche dort sein.

Von Frick aus können Sie diese Arbeit nicht machen?

Nicht mehr. Mit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative hat sich für uns einiges verändert. Noch vor drei Jahren ging die EU-Kommission bei uns ein und aus. Ich war als Experte immer wieder in Brüssel. Jetzt wurden uns die Flügel gestutzt.

Wie meinen Sie das? 

Wir haben oft die finanzielle und administrative Koordination internationaler Forschungsprojekte gemacht. Die Forschungszusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU ist zwar mit «Horizon 2020» unterschriftsbereit, vorerst aber nur beschränkt möglich. Wir dürfen zwar an Projekten teilnehmen, sie aber nicht koordinieren. Das bedeutet für uns Prestigeverlust, wir erhalten weniger Geld und Know-how, das bei uns ist, bleibt ungenutzt.

Die FiBL-Standorte in Deutschland und Österreich helfen Ihnen auch nicht?

Das Problem ist, dass es über den Standorten Frick, Frankfurt und Wien bis dato kein Dach gibt. Die Zusammenarbeit basiert darauf, dass wir uns gut kennen und ich überall im Vorstand bin. Ein gemeinnütziger Verein nach belgischem Recht, eine Form, die viele internationale Forschungsverbände haben, gibt uns dieses gemeinsame Dach. Es erlaubt uns künftig freien Personal-, Finanz- und Know-how-Fluss.

Was bedeutet das für Frick?

In erster Linie viele Aufträge, denn in Frick haben wir am meisten Fachkompetenz. Das FiBL braucht ein attraktives Zentrum, das wird immer Frick sein. Heute haben wir 180 Leute, bald werden es 220 sein.

Sie planen einen Ausbau?

Ja. Neue Labors und Gewächshäuser, eine Halle für Tierversuche im Bereich Naturheilkunde und Tierwohl. Aus dem Landwirtschaftsbetrieb wollen wir eine Forschungsstation machen, attraktiv und offen zum Anschauen für Interessierte, Schulen, Forscherkollegen, Politiker. Ein transparenter Campus für 50 bis 80 Studierende.

Haben Sie dafür genug Platz?

Nein. Wir wollen zwei bis drei Gebäude bauen. Zudem brauchen wir ein neues Personalrestaurant und eine grössere Konferenzinfrastruktur. Und die Hüllen der jetzigen Gebäude haben Renovationsbedarf.

Kann man das finanziell beziffern?

Maximal 23 Millionen Franken an Investitionen. Die Zeitspanne hängt davon ab, wie wir das Geld zusammenbekommen. Ich setze mich nun seit 27 Jahren leidenschaftlich für das FiBL ein. Ich weiss, dass das Zeit braucht. Wichtig ist, dass am Schluss die Attraktivität und die Bedeutung des FiBL und des Aargaus gesteigert werden.

Sie sind jetzt 63-jährig. Andere denken in Ihrem Alter an die Pension.

Ich mache noch fünf Jahre, bis 68. So lange ich noch diese Innovationskraft habe, will ich mein Gewicht und meinen Namen nutzen für die Institution.

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