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IFOAM 2000 in Basel: Denkpause für die wachsende Biowelt

Der IFOAM 2000-Kongress ermöglichte der rasant wachsenden Biobewegung, sich zu orientieren und Gedanken auszutauschen. Zentraler Punkt der Grossveranstaltung war die Beziehung zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern bezüglich Biolandbau.

Ist der Biolandbau ein vorübergehender Trend, ein originelles Marketingkonzept des industrialisierten Nordens, oder stellt tatsächlich nach und nach die ganze Welt auf Bio um, wie es der Titel des IFOAM 2000-Kongress in Basel, "The World Grows Organic", vorschlägt? Dieser und vielen anderen Fragen gingen die Teilnehmer des 13. Kongresses der weltweiten Bio-Dachorganisation IFOAM mit über 700 Mitgliedorganisationen nach.
Für die Teilnehmer aus Europa und Nordamerika stand die Konsolidierung des wachsenden Marktes und die Verfeinerung der Anbautechnik und der Vermarktung im Vordergrund. Für die "jüngeren" Bionationen stellten sich Fragen nach der Errichtung sinnvoller Strukturen für die Beratung, Forschung und Zertifizierung.

Bio gibts in aller Welt

Für IFOAM-Direktor Bernhard Geier ist der Kongress der Superlative Ausdruck des enormen Wachstums der Biobewegung in den vergangenen Jahren: "Die Konferenz ist ein Spiegel des weltweit wachsenden Biolandbaus." In Australien werden mittlerweile 5.3 Millionen Hektaren biologisch bewirtschaftet, in Europa 3.5 Mio. ha und in Nordamerika 1.1 Mio. ha. In den USA wird der Umsatz mit Bioprodukten für das laufende Jahr auf 10 Milliarden Dollar (17.3 Mia. Franken) geschätzt und soll innert drei bis vier Jahren verdoppelt werden.
Aber auch in Asien, Afrika und Lateinamerika schreibt der biologische Anbau Erfolgszahlen. In Uganda produzieren bereits 7‘000 Betriebe biologische Baumwolle, in Mexiko stellten 10,000 Campesinos ihre Kaffeeproduktion auf Bio um, und in China werden ganze Gebiete auf biologische Produktion umgestellt.
Die Landwirte in den Ländern der weniger entwickelten Welt sehen im Biolandbau in erster Linie eine Chance für den Export in die Industrieländer, wo die Produktion hinter der Nachfrage des Marktes her hinkt. In den ärmeren Ländern besteht aber, im Gegensatz etwa zu Europa, keine Bio-Tradition. So werden Bio-Richtlinien sowie Bio-Kontroll- und Zertifizierungssysteme meistens aus den Industrieländern übernommen. Besonders in Asien und Afrika sind die Umwelt und die Landwirtschaft in grossen Gebieten in einem guten Zustand, doch die Zertifizierung, eine Voraussetzung für den Export nach Europa und Nordamerika, weist viele Mängel auf. In diesem Zusammenhang wurde in Basel die Frage diskutiert, ob nun die Umstellung auf Biolandbau in den Entwicklungsländern einen Schritt zur Unabhängigkeit oder eine neue Form von Kolonialismus darstellt.

Von A wie Anbau bis Z wie Zertifizierung

als. Inhaltlich war die IFOAM 2000 sehr breit angelegt. Von Abhandlungen über die Veraschung von Unkräutern über die Frage, warum die biologische Treibhausfläche in Holland nicht schneller wachse bis hin zu biologischen Beizmitteln für Saatgut wurden viele anbautechnische Fragen behandelt. Aber auch die Entwicklung der Biomärkte, Fragen zu Kontrolle und Zertifizierung sowie zur unterstützenden Rolle der Agrarpolitik für die Umstellung auf Biolandbau wurden diskutiert. Und – zu guter Letzt – fehlte auch die Frage nach der zukünftigen Entwicklung des Biolandbaus nicht.
Der Kongress wurde in gleichzeitig bis zu zwölf Sälen des Kongresszentrums der Messe Basel und umliegender Hotels abgehalten. Insgesamt informierten 500 Referenten über ihre Arbeit, auf 200 Posters wurden zusätzliche Informationen weiter gegeben. Die Tagungsbände zu den verschiedenen Veranstaltungen des Kongresses beinhalten Zusammenfassungen sämtlicher Beiträge. Sie umfassen insgesamt 1‘400 Seiten und wiegen 3.5 Kilo.

Logistische Probleme bei der Zertifizierung

Mehrere Referenten aus südlichen Ländern sind überzeugt, dass die Zertifizierung über eigene Zertifizierungsstellen organisiert werden müsse. Es sei für ausländische Kontrolleure schwierig, die Verhältnisse in ihren Ländern zu verstehen und die Landwirte seien oft auch nicht bereit, europäische Zertifizierer zu akzeptieren. Zudem seien auch die Kosten der ausländischen Zertifizierungsfirmen viel zu hoch. Kein Wunder, wenn die Kontrolleure, wie etwa in Lateinamerika, oft mehrere Stunden zu Fuss zurücklegen müssen, um einen Kaffeeproduzenten mit fünf Hektaren Anbaufläche zu kontrollieren. Da verschlingen die Kosten für die Zertifizierung den Mehrerlös für den biologischen Kaffee. Ein anderes Problem sind die verschiedenen Sprachen. Allein in Uganda werden 60 verschiedene Sprachen gesprochen. Ob sich da ein Europäer zurechtfinden kann?

Autonomie statt Bio-Kolonialismus ...

"Niemand bezweifelt, dass alle Länder eine eigene Zertifizierungsstelle einrichten sollen", erklärt Bo van Elzakker von der holländischen Beratungs- und Zertifizierungsfirma Agro Eco Consultancy. Doch das funktioniere nur, wenn eine solche Firma Teil einer breiteren ökologischen Bewegung sei. Und solche Bewegungen sind mancherorts erst am Entstehen. Nebst der Ausbildung lokaler Kontrolleure sei auch die Erarbeitung nationaler Biorichtlinien von Bedeutung. Dafür sei die Zusammenarbeit der europäischen Kontrollfirmen mit den verschiedenen Stellen der südlichen Länder unabdingbar.

... mit eigenen Bio-Märkten

Am wirkungsvollsten kann die Gefahr des Bio-Neo-Kolonialismus durch die Errichtung eigener Biomärkte abgewendet werden. Und da besteht Grund zur Hoffnung, wie Ulrich Hamm erläutert, der als Professor der Universität Neubrandenburg seit 20 Jahren die weltweite Entwicklung der Biomärkte beobachtet. Selbst in Staaten wie China, wo die exportorientierte Bioproduktion floriert, entsteht ein eigener Biomarkt. Vor allem Familien mit hohem Bildungsstand, die sich Gedanken über die Auswirkungen der Lebensmittel machen, konsumieren Bioprodukte. Hinzu kommt, dass die meisten chinesischen Familien nur ein Kind haben und alles tun, um es optimal zu ernähren.
Auch in afrikanischen Ländern wird ein Teil der Bioprodukte in Heimmärkten abgesetzt, zum Teil sind es auch dort die gebildeten Menschen, die sich für Bioprodukte entscheiden. In Ägypten sind Bioprodukte jedoch bereits allgemein beliebt. Die biologisch-dynamische Sekem-Farm beliefert mit ihren Produkten 7‘000 Apotheken und 2‘000 Supermärkte und ist zum landesweiten Marktleader für Kräutertees geworden.

Zwei Wochen Bio-Mekka in Basel

als. 1‘800 Berater, Forscher, Händler, Verarbeiter, Kontrolleure und auch Bauern aus 99 Staaten nahmen am IFOAM 2000-Kongress in Basel teil. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Diskutiert wurde eine breite Fülle von Themen rund um den Biolandbau. Schon am 21. August begann der vierzehntägige Grossanlass mit Exkursionen durch die "Bio-Wiege" Schweiz, die Ausgangspunkt sowohl für den organisch-biologischen als auch für den biologisch-dynamischen Landbau war. Es folgten Veranstaltungen über Bio-Weinbau, Bio-Verarbeitung und Vermarktung von Bioprodukten im Supermarkt, der publikumswirksame Bio Marché in Zofingen und als Kernveranstaltung die Bio-Wissenschaftskonferenz. Am 2. September wird der Anlass durch die IFOAM-Generalversammlung abgeschlossen. Kurz: Der 13. Kongress der Welt-Dach-organisation der Biobewegung sprengte alle Rekorde.
"Es ist uns erstmals gelungen, auch Fachleute aus Forschung und Handel anzusprechen, die nicht zum Kern der Bioszene gehören," freut sich IFOAM 2000-General-direktor Urs Meier. Er sieht in der breiter gefächerten Teilnehmerschaft einen Grund für das Wachstum gegenüber früheren Konferenzen. Alle zwei Jahre wird ein IFOAM-Kongress durchgeführt, zuletzt 1998 in Mar del Plata (Argentinien) und 1996 in Kopenhagen. Der erste Kongress der IFOAM wurde 1977 in Sissach mit 90 Teilnehmern durchgeführt.

Zauberwort Kommunikation

Als Hauptbedingung für die Entstehung eigener Bio-Strukturen in den weniger entwickelten Ländern wurde am IFOAM 2000-Kongress immer wieder ein Zauberwort genannt: Kommunikation. Einerseits müssen die Landwirte darüber aufgeklärt werden, dass Biolandbau für ihre Felder eine nachhaltige Alternative darstellt, durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel Kosten gespart werden können und sich dadurch zudem ein Absatzmarkt auf höherem Preisniveau eröffnet. Andererseits sollte auch die Bevölkerung über die Vorzüge der Bioprodukte informiert werden.
Auf einer anderen Ebene war auch der Kongress in Basel eine vorzügliche Plattform für die weltweite Kommunikation. Es wurden Erfahrungen mit Anbautechniken, Verarbeitungsmethoden, Forschung, Agrarpolitik und Zertifizierungssystemen ausgetauscht.

Aussenminister Joseph Deiss engagierte sich in Wort und Tat

Diese weltweite Kommunikation war auch dem Eidgenössischen Departement des Äusseren etwas wert. Durch finanzielle Unterstützung ermöglichte es mehreren Vertretern aus Entwicklungsländern die Teilnahme am Basler Kongress.
Zur Eröffnung des Kongresses unterstrich Bundesrat Joseph Deiss denn auch die Bedeutung der Kommunikation: "Die Weltgemeinschaft ist den ständigen Herausforderungen der Natur und der Wirtschaft nur gewachsen, wenn die Erfahrungen und Erkenntnisse aller Länder und deren Bevölkerung zusammenwirken." Die IFOAM 2000 sei eine hervorragende Gelegenheit für diesen Austausch.

Autor: Alfred Schädeli

Quelle: Landwirtschaftlicher Informationsdienst LID. Mediendienst Nr. 2480 vom 31.8.200

Weitere Informationen

Link

ifoam.org: Homepage der IFOAM